Dienstag, 22. Januar 2013

Emanzipation vs. Feminismus

Als Kind aus einer liberalen Familie bin ich sehr lebensnah mit Themen wie Gleichberechtigung aller Menschen, individuelle Freiheit, kritisches Auseinandersetzen mit allem was als Wahrheit vorgesetzt wird, und dem Mut, die Stimme zu erheben, wenn Ungerechtigkeiten auftauchen, konfrontiert worden.

Ich war Mädchen. Und wuchs als Mensch auf, weil meine Eltern offen für individuelle Geschlechterrollen und Lebensentwürfe waren. Nichts musste so sein, "weil es halt so ist", ich durfte wollen, was mir einfiel und ich durfte machen, was möglich war oder sogar unmöglich schien. Dass ich niemals von einem Menschen abhängig sein wollte und müsste, und nie meinen Mund halten würde, wenn mir etwas am Herzen liegt, habe ich von zu Haus mitgenommen, als ich mit 19 als emanzipiertes Mädchen in eine an vielen Stellen unemanzipierte Welt zog.

Dabei habe ich viele Kämpfe gefochten. Denn wir Menschen sind noch weit davon entfernt, alle Menschen gleichberechtigt sein zu lassen. Es gibt so viele Ebenen der Ungerechtigkeit, dass ich immer was zu tun hatte. Was hab ich mich ereifert, mich aufgeregt, knallharte Streits geführt; mit Beleidigungen, Beleidigt Sein, weil ich überzeugt war, dass alle es so sehen müssten wie ich.

Dabei hatte ich aus dem Sinn verloren, dass es mit all den unterschiedlichen Menschen auch ein Nebeneinander von Überzeugungen gibt. Dass individuelle Freiheit auch bedeutet, dass andere Menschen ihren eigenen Weg brauchen, um bei sich etwas ändern zu können. So wie ich selbst meine eigene Art habe, Dinge annehmen zu können.

Ich habe ein Kind, und dieses Kind hat Freunde. Ich arbeite mit Kindern. Mir käme nicht in den Sinn, mich bei den Situationen, in denen sie sich mit Sexismus, Rassismus o.ä. auseinandersetzen und ausprobieren, "Sexistische Kackscheiße" zu rufen, zu prangern und zu glauben, auf diese Weise würde sich etwas ändern. Kinder reagieren wie viele Erwachsene: wenn man sie in die Täterrolle schiebt, versuchen sie sich zu befreien. Durch Ignoranz, durch sich Entziehen oder durch Widerstand. Und ja, immer gibt es auch die, die brav hören, weil sie es schon verstanden haben. Und die, die jedenfalls so tun.

Emanzipation halte ich für ein Werkzeug. Ein persönliches Werkzeug.
Dieses Werkzeug nutze ich, seit ich denken kann. In meinem Leben bin ich vielen Situationen und Strukturen begegnet, die mich dazu bewegten, mich wieder und wieder zu emanzipieren. Emanzipation ist praktische Arbeit. Für mich bedeutet sie, das zu leben, was wir als Ziel anstreben.

Im Verhandlungsgespräch für einen Job war meine Bedingung, dass ich das Team nach meinen ethischen und moralischen Vorstellungen aufbauen darf. Und dass ich nur 30 Stunden in der Woche arbeiten werde, ohne Überstunden, und das auch für mein Team fordere. In drei Jahren hab ich mehr als 20 Menschen eingestellt, Praktikanten* mitgerechnet. Und nur eine Person entlassen müssen.

Wir waren ein exzellentes Team. Wir waren Frauen, Männer, Queer, Heteros*, Ausländer*, Deutsche*, "Osten", "Westen", Junge und Alte, Menschen mit geradlinigen oder gebrochenen Lebensläufen, mit körperlicher Behinderung oder ohne. All das waren wir. Während dieser drei Jahre mussten wir uns nur zweimal Überstunden verordnen, alles andere haben wir durch Dienst nach Wochenarbeitszeit erledigt. Dabei war unser Krankenstand gering, der Spaß bei der Arbeit und miteinander groß und unsere Abteilung profitabel.

Dies ist für mich ein gelungenes Beispiel für Veränderung in der Welt. Ganz praktisch gesehen. Ohne Palaver haben wir das gemacht. Wir sind ohne die Wörter Sexismus, Feminismus, Rassismus ausgekommen. Wir waren emanzipiert.

Denen, die sagen, wie ungerecht das Leben für Frauen ist, glaube ich. Weil ich es auch schon hier und da, und auch teilweise ausgiebig, erlebt habe. Mit dem Zeigefinger zu wedeln, anzuklagen, zu prangern, zu fordern, und dabei jede kleinste Situation zu bemerken, zu kommentieren und damit groß und wichtig zu machen, selbst jene, die gar nicht so gedacht waren, ist nicht mehr mein Weg.

Ich halte ihn für kontraproduktiv, weil durch ihn eine Trennung, eine neue Rollenverteilung geschieht. Die einstige Aufteilung in "Die Frauen" und "Die Männer" wird ergänzt durch "Die Guten" und "Die Bösen". "Die Unpriviligierten" und "Die Priviligierten". "Die Diskriminierten" und "Die Diskriminierenden".

Wenn wir etwas verändern wollen, dann, davon bin ich überzeugt, müssen wir uns selbst emanzipieren. Jeder und jede Einzelne*. Das kann nicht herbeigeredet oder anüberzeugt werden. Das muss jeder Mensch für sich tun. Anstatt ohne Unterlass theoretisch darüber zu debattieren und zu fordern, dass die anderen die eigene Emanzipation erkennen, bis keiner mehr zuhört, können wir die Emanzipation in die Gesellschaft bringen, durch Politik. Auf souveräne, ruhige Art.
Mit Anträgen, Initiativen. Zum Beispiel in Sachen Bildung. So wie wir das auch schon tun. Und dann Geduld mitbringen, und den Glauben an Erfolg, denn wir ändern die Welt nicht in drei Tagen. Wir stehen am Anfang.

Am Ende geht es gar nicht um Feminismus, denn das ist nur ein theoretisches Konstrukt. Es geht darum, emanzipierte Menschen hervorzubringen. Und die Aufgabe jedes und jeder Einzelnen ist, sich erstmal selbst zu emanzipieren. Das, liebe Menschen, kann niemandem abgenommen werden. Das muss ich selbst tun. Und Du.

Was wir tun können, ist Menschen dabei zu unterstützen. Ganz praktisch, ohne viel Worte. Und vor allem ohne den Leierkastengesang des Feministischen Aufräumtrupps. Denn er wird keine neue Ordnung hinterlassen, sondern alte Rollenmuster weiter und weiter zementieren, so dass niemand sie vergessen kann.

Und dann wäre post gender in noch weitere Ferne gerückt. 

Montag, 7. Januar 2013

Kampf im Wahlkampf - muss das sein?


Im Jahr 2013 ist wieder Bundestagswahl. Und wir machen mit. So weit, so gut.

Nun stellte sich in Berlin angesichts der schwer männerlastigen Kanditenlisten anderer Bundesländer für einige Menschen die Frage, wie wir in unserem LV Frauen stärker motivieren und unterstützen könnten. Dafür wurde die PG Frauenwahlrecht gegründet, zu deren Gründungsmitgliedern* auch ich gehöre.

Schon in der ersten Sitzung kam das Thema darauf, dass Queer Vertreter* in gleichem Maße unterstützt werden sollten, da diese in offiziellen Mandaten bei uns Piraten* ebenso unterrepräsentiert seien, wie die biologisch weiblich definierte Personengruppe. Ein Blick ins Partei-Programm stellt klar, dass wir uns für die Gleichwertigkeit Aller einsetzen. Wie also sollte sich eine einseitige Initiative zur Unterstützung weiblich definierter Personen erklären lassen?

Einige gingen sogar so weit, auf der Liste nur weiblich definierte Personen sehen zu wollen. Dazu initiierten sie wenige Tage später in Eigenregie einen feministischen Vorstoß in Form einer freiwilligen Selbstverpflichtung, die bisher von 32 Menschen unterschrieben wurde. Auch wenn einige, so wie @debaer die Definition auf "alle Frauen* unabhängig vom biologischen Geschlecht" erweiterten, trat ich wegen dieser Aktion aus der Gruppe aus, da ich mich weder in der Außenwelt, noch innerhalb der Partei damit zufrieden geben kann, dass geschlechterspezifische Abgrenzung stattfindet. Ich bin gegen Quoten, weil ich gegen Geschlechterdifferenzierung bin.

Einem anwesenden Queer Vertreter der PG Frauenwahlrecht wurde in einem Gespräch mitgeteilt, dass er als Mann leider nicht unterstützt werden könnte.
Ja, so kann man das machen. So haben die Grünen das ja auch gemacht. Wohin das geführt hat, sehen wir heute. Zu einer Quote, die doch nur zwei biologische Geschlechter kennt und die auf diese Weise die Geschlechterdifferenzierung manifestiert. Das geht gegen unser Grundsatzprogramm

Nun ist es also so, dass ich auf meine eigene Weise Kandidaten* unterstützen musste, denn die Gruppe Frauenwahlrecht war offensichtlich nicht das Richtige für mich.

Als meine Favoritin ihre Kandidatenbewerbungsseite online stellte, habe ich dies vor Freude über twitter mehrfach mitgeteilt und außerdem viele meiner Parteifreunde* per DM informiert. 
Als vor einigen Tagen mein zweiter Favorit seine Seite online stellte, tat ich das Gleiche. Ich twitterte es, und da die Timeline ja immer so schnell vorbei rauscht, schickte ich eine DM mit der Info an viele Parteifreunde*, von denen ich dachte, sie finden das interessant.

Beide Kandidatenbewerber* wussten davon nichts, warum auch? Es war ja meine Aktion, die ich mir zu ihrer Unterstützung ausgedacht hatte.
Nebenbei unterstütze ich sowohl diese beiden als auch andere Kandidaten* öffentlich auf deren Kandidatenseiten.  

Ich bekam prompt viele Antworten, von den meisten Dank für die Info, und so mancher* schien dadurch angeregt worden zu sein, sich als Unterstützer* für die beiden auf ihrer Liste einzutragen. Das hat mich natürlich gefreut.
Von zwei Personen bekam ich die Rückmeldung, dass sie niemanden öffentlich unterstützen möchten, und ich antwortete darauf, dass das ja völlig in Ordnung ist, ich wollte ihnen einfach nur die Info schicken.
Eine Person schrieb mir, sie möchte nicht über DM zu solchen Themen angeschrieben werden, sie fühlt sich unwohl dabei. Das tat mir leid, ich bat per DM um Entschuldigung, und sagte, ich würde ohnehin nichts mehr schicken, weil das Thema durch ist. Etwa 40% antworteten mir nicht, darunter auch einige, die ich später als Unterstützer* auf den Seiten fand.

Nun hörte ich gestern aus einer Partei-Ecke die Kritik, ich würde verdeckte Kandidatenunterstützung machen. Mancher nennt es sogar "Spam", gegen den zu kämpfen sei. Das machte mich im ersten Moment wirklich baff.
Natürlich weiß ich als E-Marketing Spezialistin sehr gut, was Spam ist, damit habe ich praktischerweise früher mein Geld verdient, viel Geld.
Diese DMs an die mir bekannten Personen zu diesem expliziten Thema ordne ich anders ein. Müsste ich die Definition "unangefragte DM = Spam" so eng ziehen, wäre mein Kommunikationskreis auf eine Weise reduziert, die der konstruktiven menschlichen Kommunikation entgegen wirken würde. Wieviele unangefragte DMs bekomme ich, von Menschen, die ich nicht einmal persönlich kenne, nur von twitter, und andersrum, wieviel unangefragte DMs schicke ich an mir unbekannte Menschen. 

Ich bedaure, wenn meine DM noch jemand anderen als diese eine Person gestört hätte, die mir das persönlich mitgeteilt hat. Leute, sagt mir, wenn was für Euch nicht passt, und dann ist es gut.

Denen, die sich aus anderen Gründen über meine aktive Unterstützung für Menschen ärgern, kann ich sagen: Wenn ich begeistert bin, bin ich kaum zu stoppen. Davon profitiert unter anderem auch die Partei, und so wie ich das tue, tue ich das eben. Das bin ich. Wenn ich dabei Fehler machen sollte, hilft es, mich freundlich darauf aufmerksam zu machen. Ich höre gern zu, und wenn Ihr mich mit Argumenten überzeugen könnt, ändere ich mein Verhalten gerne. Diese Handvoll DMs empfinde ich immer noch als in Ordnung. Falls ich jemals wieder Sinn darin sehen würde, Informationen auf solche Weise weiterzutragen, würde ich es vielleicht wieder tun. Ausgenommen an diejenigen, die mir nicht geantwortet haben oder das mir das so gesagt haben. 

Jetzt jedoch aus meiner Aktion einen Strick für die Kandidaten* drehen zu wollen, "Drohungen" wie "damit ist er raus" auszusprechen, erscheint mir mehr als unlauter.
Wie soll ich das denn bitte verstehen? Die einzige Schlussfolgerung, die sich mir anbietet, ist, dass ich die Interessen von anderen störe. Und wisst Ihr was? Das ist mir gleichgültig. Das kenne ich schon aus meiner Zeit im Vorstand. Und irgendwie sagt es mir, dass ich genau ins Schwarze getroffen habe. Wie schon so oft. Und deshalb lasse ich mir den Mund nicht verbieten, und auch nicht meine Art. Wer wissen will warum, liest einfach den vorherigen Blogpost

Und jetzt: Auf in den Wahlkampf. Unterstützen wir uns gegenseitig, helfen wir unseren Kandidaten*. Wir brauchen sie, und sie brauchen uns!