Sonntag, 17. Januar 2016

Klo Putzen für Geschlechtergerechtigkeit

Ich hatte neulich ein Gespräch mit einem Taxi-Fahrer. Es ging ums Klo Putzen. "Ich bin der Mann im Haus. Ich gehe schließlich arbeiten. Da habe ich das Sagen. Und die Frau putzt das Klo. Natürlich. Wer denn sonst?" Wir waren 45 Minuten unterschiedlicher Meinung.

Feminismus. Ich kenne kaum ein Wort, das es so schwer hat, verstanden zu werden.

Es meint, Frauen die gleichen Rechte wie Männern einzuräumen. Jahrhundertelang konnte davon nicht die Rede sein. Die Rechte, die im Laufe der Zeit von hartnäckigen Menschen immer und immer wieder gefordert werden mussten, damit sich überhaupt etwas bewegt.

Anfang 20. Jahrhundert zum Beispiel. Wählen war den Frauen zu der Zeit nicht erlaubt. Frauen hatten also keine Chance, auf stille Weise ihre Bedürfnisse politisch werden zu lassen. Politiker, die für ihre Rechte eintreten, hätten sie gar nicht wählen können. Männer bestimmten die Politik. Politik von Männern, für Männer.

Sufragetten, das waren Frauen, die für die Rechte der Frauen eintraten. Sie waren unbequem und rebellisch. Weil Bravheit noch nie etwas geändert hat. Und sie wurden hart bekämpft dafür. Beleidigt, diffamiert, fertig gemacht. Ratet von wem.

Mädchen an den Unis hatten wackere Menschen im frühen 20. Jahrhundert, nach hundert Jahren unbequemem Vorkampf, endlich herbei erkämpft. Ein Jahrhundert musste es dauern, bis sich die "Meckerertanten", die "Unweiblichen", die "Schlampen", die "Systemgegenerinnen" durchgesetzt hatten. Vorher mussten sie sich allerdings noch die Frage gefallen lassen, ob sie "von ihrer geistigen Leistungsfähigkeit und körperlichen Verfassung her überhaupt für ein Studium geeignet wären". Zum Glück gab es auch damals schon Männer, die sich für ein neues Verständnis der Rolle der Frau einsetzten, die Frauen als gleichwertig erkannten. Ohne diese Männer wäre der Kampf vergeblich geblieben.

Es gab dann endlich Frauen an den Universitäten. Aber eben nicht viele. Das christliche Abendland brachte im Gegensatz zur Antike und dem frühen Mittelalter eine weitestgehende Reduzierung der Studiengänge für Frauen. Hauswirtschaftslehre. Lehrerin. Das ging. Irgendwer muss ja Haushalt und Erziehungsarbeit machen. Die Männer hatten Wichtigeres zu tun. Meine Oma, geboren am Anfang des 20. Jahrhunderts, hatte studiert. Sie hatte einen fairen milden Vater. Glück gehabt. Das waren Einzelfälle. Die meisten Frauen wurden von bevormundenden Männern klein gehalten. Aber natürlich hat sie dann die Kinder zu Haus versorgt. Mein Großvater hatte ja eine gute Stelle und hat sie alle ernährt. Als studierte Frau übte sie keinen bezahlten Job mehr aus.


Der Großteil der männlich dominierten Gesellschaft fand Menschen, die für Frauenrechte kämpfen, unangenehm. Dass das hauptsächlich Frauen waren, die aufstanden, um sich gegen die gesellschaftliche Struktur zu wehren, in denen sie ganz klar zu kurz kamen, machte die Sache polarisierbar.


Feministinnen. Das Unding. Aufsässige Frauen, die bisweilen sehr extrem für die Gleichheit eintraten. Dass diese Gleichheit auch Territorien der Männer beansprucht, versteht sich von selbst. Das war vielen Männern ein Dorn im Auge. Die Frauen wollten Gleichberechtigung.

Die eigentliche Sorge vieler Gegner aber war, dass sie, die Männer, ihr angenehm bedientes Leben hätten umstellen müssen. Die Frau "gehört an den Herd!" Das nannten sie biologische Bestimmung. Geschickt gemacht. Denn was wäre denn die Alternative? Kein Essensservice mehr? Sie müssten gar selbst an den Herd? Einkaufen? Kinder erziehen? Waschen? Etwa auch das Klo putzen? Arbeiten, die bis dahin gesellschaftlich den Frauen zugeschoben wurden und die, wie sie fanden, bei den Frauen genau richtig aufgehoben waren. Diese waren wirtschaftlich abhängig von ihren Ehemännern. Wer wirtschaftlich abhängig ist, ist unfrei.

Als die Nazis an die Macht kamen, schafften sie kurzerhand das passive Frauenwahlrecht wieder ab. Eine höchst antifeministische Maßnahme. Getragen auch von Frauen. Frauen wurden auf elegante Weise wieder aus Politik und Wirtschaft ausgeschlossen, bis 1945.


Meine Mutter wuchs auf in der Nachkriegs-Zeit, als Väter noch bestimmen durften, rechtlich festgeschrieben, was ihre Kinder beruflich mal werden durften. Und dann hat ihr Vater sie in der Mittagspause eben mal für eine einjährige Ausbildung angemeldet, die sie überhaupt nicht machen wollte. Sie wollte reisen und Sprachen lernen. Studieren. Das Zeug dazu hatte sie. Damit war Essig dann. Studieren musste der Sohn. Der wollte das gar nicht, war im Gegensatz zu seiner Einser-Noten Schwester schlecht in der Schule, hatte aber auch nichts zu sagen.

Und so gingen aus dieser Generation wieder eine erzwungene minderausgebildete spätere Hausfrau und ein graduierter Sohn hervor, der dann Karriere machen konnte. So, wie schon in den vielen Generationen zuvor.
Väter und Ehemänner durften bestimmen, ob der Traumberuf der Frau "Kochen, Putzen, Kinder" ist, und ob, bzw. mit welcher Tätigkeit sie ein bisschen dazu verdienen durfte. Um sicher zu gehen, gab es auch gleich noch das Recht dazu, die Tätigkeit zu widerrufen. Der Mann durfte seine Frau abmelden. Es reichte, wenn er sagte, "Meine Frau kommt nicht mehr, sie kündigt". Dann war sie ihren Job los. Das war hier bis vor genau 40 Jahren noch Gesetz. Da war ich 10 Jahre alt. Dass bis 1997 die Vergewaltigung in der Ehe nicht strafbar war, spricht weitere Bände der Machtverteilung zwischen Frauen und Männern.

Schaut euch die Zahlen der Frauen in der Politik an. Oder in der Wirtschaft. Ich meine die in den oberen Ebenen, die Entscheidungsebenen, nicht in den Zuarbeitungsstrukturen.

Nun sagen einige, "Jaja, aber die Frauen wollen ja nicht, deswegen bleiben sie weg, auf jeden Fall sind sie selbst schuld. Ihre Töchter sind auch selbst schuld, wenn sie sich unterdrücken lassen. Seht mich an. Ich schaff es doch auch.".
Und die anderen, die sagen, "Ihr dürft ja jetzt wählen, es gibt Gesetze, die eure Rechte einräumen. Wenn ihr es nicht hinkriegt, dann, weil ihr unfähig seid, oder eben einfach nicht nett genug." Als hätte Bravheit je etwas geändert.

Und dann gibt es da die Bewegung der Solifrauen, die weiblichen Maskulisten. Maskulist bedeutet Männerrechtler*. Das sind die, die das Geschlechter-Modell der letzten Jahrhunderte gut finden. Die einen Mann haben wollen, und ihn gern bedienen. Immer noch ohne eigenen Lohn. Wie früher, nur ein bisschen gleichberechtigter. Meist gehen sie selbst auch arbeiten, aber der Haushalt ist trotzdem ihre Sache. Da halten sie ihrem Menne den Rücken frei. Der tut dafür andere Dinge. Weil das ihr Geschmack ist, ihre Vorstellung von Partnerschaft. Und sie schimpfen auf die unverschämten Frauen, die immer noch nicht genug haben vom Gleichstellen. Vielleicht auch, weil sie die Rolle ablehnen, die sie für sich leben wollen.


Soli-Maskulistinnen dürfen sich der Sympathie vieler Männer erfreuen. Sie finden, dass es nun reicht, dass Frauen ja schon lange in der Realität gleichgestellt sind. Auf dem Papier. Und deshalb helfen sie, Feminist*innen zu bekämpfen. Denn dass diese von ihrem echten Leben erzählen, in dem Ungleichberechtigung immer noch harte Realität ist, nervt die Soli-Maskulistinnen, sehr zur Freude der Männer. Diese Schützenhilfe kommt ihnen besonders gelegen im Kampf um ihre eigene Stellung.


Vielen Männern fällt nun ein, dass sie ja irgendwie auch mal dran sind jetzt. Sie fühlen sich vor lauter Gleichberechtigung der letzten Jahre benachteiligt. Und deshalb wird gekämpft. Natürlich nicht mit den Menschen, die sich für Gleichstellung im echten Leben einsetzen, sondern gegen sie.



Das System macht System - von Männern, für Männer.
Immer noch. Nur nicht für alle.



Dabei hat sich mittlerweile eine weitere Ungerechtigkeit eingeschlichen. Auch Männer sind nicht gleichgestellt. Viele Männer haben es satt, in der Mühle des Ernährers zerrieben zu werden. Es gibt nicht mehr genügend Jobs, geschweige denn so gut bezahlt, dass sie davon noch andere durchziehen könnten. Ihre Kinder dürfen sie immer noch nur nach Feierabend sehen, dann wenn sie kaputt und fertig sind. Da geht es ihnen nicht besser als Alleinerziehenden. Nur dass sie jemand haben, der ihnen die aufwändige Kindererziehung vom Hals hält. Kindererziehung bedeutet natürlich auch für sie Karriereknick. Denn Kindererziehung ist der am schlechtesten bezahlte Job in dieser Gesellschaft. Gleich nach Schwiegereltern Pflegen. Für die Erziehenden ist er ein teures Ehrenamt. In diesem System. Was viele Männer eint, ist, dass sie den Frauen die Drecksarbeit zu Hause überlassen. "Sie können das einfach besser. Das muss naturgegeben sein." Und das ist der Punkt, an dem der Feminismus wieder ins Spiel kommt.

Ich frage mich, wie überhaupt eine Gesellschaft entstehen soll, die sich für Gleichberechtigung aller einsetzt, wenn sie schon Probleme damit hat, Frauen vom Haushalts- und Kinderehrenamt zu entlasten. Im Osten, da gab es das mal. Ansatzweise. Dass Frauen in Positionen arbeiteten, die den westdeutschen Müttern verschlossen blieben, war ein großer Fortschritt. Der Haushaltstag galt dort aber auch fast nur für Frauen. Deshalb wurde er informell Hausfrauentag 
[1] genannt. Nicht sehr fortschrittlich, würde man meinen. Der westliche Trend macht sich seit 1989 auch im ehemaligen Osten breit. Denn wenn auf dem Papier steht, ein Frau darf alles, heißt es das noch lange nicht, dass sie das praktisch umsetzen kann. Gleichberechtigung bedeutet ja nicht, dass Frauen entweder einen Ernährer haben oder, wenn sie Kinder haben, doppelt so hart arbeiten oder verarmen müssen. Aber was rede ich. Ihr seht es ja in der Politik. Und in der Wirtschaft. Männer dürfen nicht fehlen, Frauen schon. Männerjobs sind so unersetzlich, dass die Männer, die sie tun, nicht einfach eine halbe Stelle draus machen können. Frauenjobs natürlich schon.

Das liegt nicht daran, dass die Frauen auf dem Papier nicht die Rechte dazu hätten. Ihr Leben gestaltet sich strukturgegeben immer noch häufig so, dass die Zeit, in der sie sich um Kinder kümmern, einen Karriereknick herbeiführt. Bei Männern in der Regel nicht, denn die sind unersetzlich. In der Politik. Und in der Wirtschaft. Irgendwas stimmt doch da nicht.


Die, die Sorge haben, dass Frauen ihnen nicht mehr die Bude putzen und sie auch sonst hauswirtschaftlich bedienen, die, die fürchten, dass Frauen ihnen möglicherweise sogar jobmäßig überlegen sind, die sich also durch gleichberechtigte Frauen plötzlich weniger privilegiert fühlen dürfen, sind sowieso gegen Feminismus. Wenn sie Gleichberechtigung schreien, meinen sie eigentlich nur, dass alles so bleiben soll, wie es ist.


Und die Frauen, die finden, dass für sie alles prima ist, wollen keinesfalls hören, dass es für andere nicht so prima ist. "Denn auf dem Papier steht es, ihr seid gleichberechtigt, und nun seid nicht so ungemütlich, so wütend, so unzufrieden. Euer Kampf für die Rechte, die ich schon habe, nervt mich nur." Sie wollen auch nichts hören von Sexismus und der Gewalt, die andere erleben. In ihrer Welt hat das keinen Platz. Klar, für sie ist ja alles prima.


Und dann wird gekämpft. Laut. Ungemütlich. Von den einen verzweifelt, und von den anderen genervt. Die einen haben immer noch nichts davon, dass ihre Rechte irgendwo auf Papier stehen. Das macht verzweifelt, weil es fast immer existentiell ist. Dass es da schlechten Stil auf beiden Seiten gibt, von Einzelnen, brauche ich nicht zu erwähnen. Die Taktik der Antifeminist*innen ist dann immer, die gesamte Bewegung für die Einzelnen verantwortlich zu machen. Nach dem Motto: "Da waren Personen dreist oder unverschämt, und deshalb ist Feminismus was Schlimmes". Schlau gemacht.


Die Soli-Maskulistinnen kämpfen solange gegen die, die Gleichstellung wollen, bis sie das System, das sie brav unterstützt haben, einholt. Meist sind sie dann schon älter. Und bevor sie sich versehen, hat sie der Karriereknick wegen ihrer Kinder eingeholt. Sogar die Akademikerinnen. Die, für die vorher immer alles prima war. Die oben schwammen. Oder die, die einen Ernährer hatten. Oder Geld geerbt. Kinderlos mit gutem Job, das ist für die meisten Frauen die einzige Chance, gleichgestellt zu bleiben. Es ist schön, das das heute möglich ist. Aber leider eben immer noch nicht für alle.


Ausdrücklich will ich an dieser Stelle die Männer erwähnen, die auch einen Karriereknick erleben. Durch Arbeitslosigkeit zum Beispiel. Obwohl sie ein Mann sind. Es gibt immer weniger gut bezahlte Arbeit. Der Kampf um die Existenz wird härter. Der Frust größer. Da muss ein Feindbild her. Wer eignete sich besser dafür als die Feministinnen! "Die sind übel. Die unverschämten Meckertanten. Die haben doch schon alle Rechte! Ich habe es selbst schwer. Jetzt bin erstmal ich dran."


Mich nerven empathielose, egoistische Antifeminist*innen. Alle. Männer wie Frauen. Kein Unterschied. Weil sie vor lauter Ich-Bezogenheit das große Ganze gar nicht im Blick haben, sondern nur ihre kleine Welt, die sich um sie selber dreht.


Solidarität. Darauf ist unser Grundgesetz mal gebaut worden. Gleichheit. Auch das gehört dazu. Echte Gleichheit besteht erst, wenn die Strukturen das wirklich zulassen. Damit sind nicht die Einzelfälle gemeint, sondern die Hälfte der Bevölkerung, die der anderen in Allem gleichgestellt ist. Solange Menschen dafür bekämpft werden, dass sie für Gleichheit kämpfen, nur weil das Wort Feminismus einen Teil der Bevölkerung verunsichert, so lange gibt es kein solidarisches gemeinsames Ziel. Antifeminismus bedeutet Kampf gegen Gleichheit.


Antifeminist*innen, kommt mir also nicht mit Gleichheit. Ihr bekämpft sie ja selbst. Unsolidarisch und egozentrisch.


Wer die Rechte und Freiheiten der Menschen stärken will, kann das nur erreichen, indem Frauen und Männer auch strukturell gleichgestellt sind. Dann dürfen Frauen und Männer endlich alles sein. Aber dann müssen Männer eben auch das Klo putzen.